„Nicht im reinen Denken,“ sagt Ernesto Sábato, „in Romanen, ihren Figuren fühlt man das Bewusstsein, das Herz einer Nation“.
Den Betondschungel der modernen Zivilisation, die Stadt als letzte Etappe des Menschen, als höchster Gipfel von Stolz und Wahn, hat der argentinische Schriftsteller zum zentralen Thema seiner Romane gemacht. Sábatos literarisches Werk, mit dem er bekannt geworden ist, wurde in der Zeit zwischen 1948 und 1976 geschrieben und publiziert. Ein Labyrinth argentinischer Geschichte. Vor einem scheinbar grenzen- und zeitlosen Hintergrund wird die Stadt zum lebendigen Gedächtnis und zugleich zur Metapher für Vergänglichkeit. Sie macht bekanntlich nicht vor gesellschaftlichen Klassen halt.
Film von Sylvia Stasser und Wolfgang Würker
Kamera: Niko Stein
Schnitt: Giusi Violani
Redaktion: Regina Heidecke
„In einer chaotischen Stadt, auf dem Nichts gebaut,“ schreibt Sábato in einem Essay über die argentinische Neigung zu Melancholie, zu Transzendenz, „in einem Konglomerat, das in einem halben Jahrhundert von zweihunderttausend auf elf Millionen Menschen angewachsen ist, in einer Stadt, in der uns nicht einmal jenes Simulakrum der Ewigkeit unterstützt, das die tausendjährigen Denkmäler der Vergangenheit darstellen, wie sollte da eine tiefgreifende Literatur nicht metaphysisch sein?“ Buenos Aires wankt. Angst vor dem nächsten Morgen hat die Jahrhunderte alte Identitätssuche einer Nation zwischen Hybris und fatalistischer Schwermut aus dem Gleichgewicht gebracht. Psychoanalytiker sind die einzigen im Land, die dabei gewinnen. Sechzig Milliarden Dollar Auslandsschulden. Die Inflation lag im zurückliegenden April bei sechzig Prozent. Während Kapital weiterhin über die Grenzen geschoben wird, verarmt die traditionell starke Mittelschicht. Wildes Spekulantentum, auf ein Minimum geschrumpfte Währungsreserven. Zahlungsunfähigkeit. Das Land steht vor dem wirtschaftlichen Ruin.
„Wenn Sie der Gesellschaft verbieten zu träumen, wenn Sie den Furien, die wir in uns tragen, im Traum keinen Ausweg lassen, dann wenden sie sich im alltäglichen Leben gegen uns.“